Der Barmbeker Gasometer und die AlsterCity – Von der Industriegeschichte zu modernen Bürowelten

Der Barmbeker Gasometer und die AlsterCity – Von der Industriegeschichte zu modernen Bürowelten

Gebäude & Bauwerke 0
Gasometer Barmbek

 

In Hamburg-Barmbek-Süd erzählt ein modernes Büro- und Dienstleistungszentrum die Geschichte einer längst vergangenen Industrieepoche. Wo heute die AlsterCity mit ihren gläsernen Hochhäusern und hanseatischen Backsteingebäuden das Stadtbild prägt, dominierte über 80 Jahre lang ein mächtiger Gasometer das Barmbeker Ufer am Osterbekkanal. Nur wenige Relikte erinnern noch an diese Zeit – darunter eine alte Gaswerkmauer, die erst vor wenigen Jahren abgerissen wurde.

Die Anfänge der Gasproduktion an der Osterbek (1874-1876)

Das Gaswerk Barmbek entstand zwischen 1874 und 1876 als zweites städtisches Gaswerk Hamburgs. Ursprünglich war geplant, die Anlage in Eppendorf zu errichten, doch heftige Proteste der dortigen Bewohner führten zur Verlegung nach Barmbek. Die Wahl fiel auf das damals kaum besiedelte Gebiet an der Osterbek, wo der Bach gerade kanalisiert wurde.

Das Gaswerk war strategisch günstig gelegen: Kohle konnte per Schute über die Elbe und den neu angelegten Osterbekkanal direkt zur Anlage transportiert werden. Ab 1917 ergänzte eine Güterverbindung zum Bahnhof Barmbek den Wassertransport. In den Retorten der Anlage wurde aus Steinkohle das wertvolle Stadtgas für Hamburgs Straßenbeleuchtung und Haushalte gewonnen.

Kriegszerstörung und Wiederaufbau (1943-1960)

Die Bombenangriffe der Operation Gomorrha trafen im Sommer 1943 auch das Gaswerk Barmbek schwer. Trotz erheblicher Zerstörungen wurde die Anlage rasch wieder in Betrieb genommen, um die Hamburger Nachkriegsbevölkerung mit Gas zu versorgen. Bis in die 1950er Jahre prägte der markante Gasometer das Stadtbild an der Osterbekstraße.

Der technische Wandel besiegelte jedoch das Schicksal der Anlage: Die Umstellung auf Erdgas machte die aufwändige Kohlevergasung überflüssig. 1961 wurde der letzte Gasometer gesprengt – das Ende einer industriellen Ära.

Relikte der Vergangenheit: Die vergessene Gaswerkmauer

Nach der Stilllegung des Gaswerks blieb das Areal jahrzehntelang kontaminiert. Cyanide, Phenole und Arsen im Boden zeugten von der intensiven industriellen Nutzung. Erst in den 1980er Jahren begann die Versicherungsgesellschaft „Volksfürsorge“ mit der aufwändigen Bodensanierung.

Ein bedeutendes Relikt dieser Zeit war die alte Gaswerkmauer, die bis vor wenigen Jahren noch am Fuße der heutigen AlsterCity stand. Eine Informationstafel aus den 1990er Jahren fragte: „Was sollen die Reste einer alten Mauer zu Füßen eines modernen Bürohauskomplexes? Sie sind stehen gelassen worden, um an das Gaswerk zu erinnern, das bis in die 1950er Jahre das Bild an der Osterbekstraße prägte.“

Diese Mauer, ein Fragment der ursprünglichen Werksumfriedung, wurde erst vor wenigen Jahren abgetragen. Mit ihr verschwand eines der letzten sichtbaren Zeugnisse der Gaswerk-Ära.

Die Entstehung der AlsterCity (1992)

Nach der vollständigen Dekontamination des 90.000 m² großen Areals entstand bis 1992 die AlsterCity. Der Komplex aus modernen Glasgebäuden und traditionellen Backsteinbauten verkörpert den architektonischen Wandel Barmbeks vom Industrie- zum Dienstleistungsstandort.

Zum
minimalistischen Newsletter
anmelden und kostenlose
Hamburg-History-Leseliste sichern!

Die Leseliste enthält die besten Bücher und Magazine zur Geschichte Hamburgs

Wir informieren dich zukünftig außerdem einmal pro Woche über Themen zur Geschichte Hamburgs – ganz minimalistisch: Nur drei Links, schnell zu überfliegen und dennoch mit Informationsgewinn.

Die Planung berücksichtigte bewusst die historische Bedeutung des Ortes: Der angrenzende Johannes-Prassek-Park wurde auf dem ehemaligen Gaswerksgelände angelegt und 2011 eingeweiht. Benannt nach dem 1943 hingerichteten Widerstandskämpfer Johannes Prassek, der in Barmbek geboren wurde, verbindet er Erinnerungskultur mit moderner Stadtentwicklung.

Spurensuche entlang des Osterbekkanals

Ein Spaziergang entlang des Osterbekkanals führt heute an den letzten Überresten der Gaswerk-Zeit vorbei. Die „Station 40 des Barmbeker Geschichtspfads“ dokumentiert mit historischen Fotos die einstige Kohleverladung und den Gasometer von 1954.

Aufmerksame Besucher können noch immer Bodenunebenheiten und Fundamente im Pflaster der AlsterCity erkennen – stumme Zeugen der industriellen Vergangenheit. Der ehemalige Kohlenhafen ist nur noch als kleine Bucht im Kanalverlauf erkennbar.

Gasometer Barmbek Kohlehafen

Das Jugendmusikzentrum „Trockendock“

Ein besonderes Relikt der Nachkriegszeit ist das Jugendmusikzentrum „Trockendock“ an der Spohrstraße. Das 1979 gegründete alkohol- und drogenfreie Zentrum bezog Räume in einem ehemaligen Gebäude des Gaswerksgeländes und entwickelte sich zu einem wichtigen kulturellen Treffpunkt für Barmbeker Jugendliche. Nach dem Abriss des ursprünglichen Gebäudes 2005 fand das Zentrum ein neues Domizil in der Elbstraße.

Gasometer Barmbek Trockendock

Industriekultur und Stadtentwicklung

Der Wandel vom Gasometer Barmbek zur AlsterCity symbolisiert den Strukturwandel Hamburgs von der Industrie- zur Dienstleistungsmetropole. Die bewusste Bewahrung einzelner Relikte – wie der erst vor kurzem abgerissenen Gaswerkmauer – zeigt den schwierigen Spagat zwischen Stadtentwicklung und Industriekultur.

Die Route der Industriekultur Barmbek-Winterhude würdigt heute die Geschichte des Osterbekkanals als wichtige Transportader für Kohle und Rohstoffe. Wo einst Schuten die Gaswerke belieferten, fahren heute Ausflugsboote und Paddler durch die grüne Wasserstraße.

Fazit: Erinnerung im Wandel

Die Geschichte des Barmbeker Gasometers und der heutigen AlsterCity verdeutlicht, wie sich industrielle Relikte in urbane Räume verwandeln. Mit dem Abriss der letzten Gaswerkmauer vor wenigen Jahren verschwand ein wichtiges Bindeglied zur Vergangenheit. Umso bedeutsamer sind die verbliebenen Spuren: der Johannes-Prassek-Park als grüne Erinnerungslandschaft, die Informationstafeln des Geschichtspfads und die noch erkennbaren Bodenunebenheiten im Pflaster der AlsterCity.

Die Transformation von der rauchenden Industrieanlage zum modernen Büroquartier zeigt exemplarisch, wie Hamburg den Wandel zur Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft bewältigt hat – ohne die industrielle Vergangenheit völlig zu vergessen.

Barmbek Gasometer AlsterCity

>